Archiv der Kategorie: Livet

Kvitskruiprestinn

Er erreichte den Gipfel nicht, weil die Ebene endlos war, sondern weil ihm 200 Meter (fast) senkrecht nach oben einfach zu steil waren. Priester mit verschiedenen Namen geisterten in seinem Kopf herum.
In den Seitentälern des nördlichen Gudbrandsdalen finden sich abgelagerte Moränen, die vor sich hin erodieren. An Orten mit wenig Regen wird die weiße Masse rund um größere Steine weggespült, während sich unter den Steinen Säulen bilden. Man geht davon aus, dass die größten Säulen zwischen 100 und 200 Jahre alt sind, und dass sie verschwinden werden. Es bilden sich zwar neue «Priester», aber die werden nicht mehr die Größe der jetzigen erreichen. Was von den Säulen bleiben wird, ist der Streit über deren Namen.
Langsam kam er zu sich und versuchte die verblassenden Wörter in seinem Kopf zu sortieren. Nicht ganz einfach, da alle für seine Zunge unaussprechlich waren: Kvitskriuprestane, Kvitskriuprestene, Kvitskriuprestein, Kvitskriuprestin und Kvitskriuprestinn. Ganz hinten verschwand gerade noch ein Kvitskriduprestin. Er warf noch einen Blick auf die Säulen und verschwand ebenfalls.
(Uldalen, 17.6.2020)

Fokstumyra

In diesem Sommer wollte er einige Dinge ausprobieren, die ihm schon von Weitem als höchst langweilig erschienen. Zuerst hatte er es mit Angeln versucht und war überrascht, wie viel Ablenkung Mücken verschaffen können. Als nächstes stand Vogelbeobachtung auf dem Plan. Er schwang sich auf sein Fahrrad und liess sich von Furuhaugli herunterrollen in Richtung Fokstumyra. Der Radweg führte an der E6 entlang und verwundert stellte er fest, dass bereits die ersten Franzosen und Deutschen ihre Wohnmobile am Wegesrand parkten. Erst gestern war die quarantänefreie Einreise nach Norwegen gestattet worden.
Er stellte sein Fahrrad ab, unterquerte die Bahnline Oslo – Trondheim und betrat das Naturschutzgebiet. Er ging etwa einen Kilometer über Holzbohlen zum Vogelbeobachtungsturm. Unterwegs gab es schon reichlich Gezwitscher, und vermutlich war auch ein Blaukehlchen darunter. Im Turm hingen einige Plakate mit Vögeln, die er gerne mit lebenden Exemplaren verglichen hätte. Aber vom Turm aus waren kaum Vögel zu beobachten. Einzige Ausnahme waren zwei Kraniche, die aber auch für das Fernglas fast zu weit weg waren. Vom Turm ging er die große Runde zurück zum Fahrrad und dabei fiel ihm ein, was Bjørn Olav Tveit über das Vogelbeobachten einmal sagte: «Ein seltenes Exemplar aufzuspüren ist wie eine große Forelle zu fangen. Es erfordert Taktik, Wissen und Ausdauer.» Auf dem schweißtreibenden Rückweg überlegte er, was er morgen ausprobieren könnte. Ein Brettspiel vielleicht? Schach!
(Furuhaugli, 16.7.2020)

Solan & Ludvig

Die Regierung rät weiterhin von Auslandsreisen ab und deshalb wird La Pollo XIII auch heute nicht zum Mond fliegen. Solan begibt sich in die Fahrradwerkstatt und versucht Reodor Felgen mit alten Gesichten von der Arbeit abzuhalten. Reodor arbeitet an einer neuen Erfindung und ist viel zu vertieft um Solan überaupt zu bemerken. In wenigen Minuten wird er kleine Plastikraketchen mit Hilfe eines Luft-Wasser-Gemisches in die Luft befördern. Wobei der Start nicht ganz lautlos von statten gehen wird, was wiederum Ludvig völlig aus dem Konzept bringen wird. Noch steht der pessimistische Igel ebenso ruhig wie frustriert in der Küche. Neben sich hat er seinen mobilen Kräutergarten und verpackt Speisen in Folie, die sich desinfizierte und abstandhaltende Touristen später achtlos aus der Vitrine fischen werden. 
(Alvdal, 14.7.2020)

Warum Asyl, wenn ich bereits hier bin?

Die (sozialdemokratische ) Ap hat einen neuen Sprecher für das Thema Einwanderung und der heißt Masud Gharakhani steht für Kontrolle und ihm gefällt das Modell der dänischen sozialdemokratischen Partei, welches es unmöglich macht, sich auf dänischen Boden um (dänisches) Asyl zu bewerben.
Åse Brandvold fragte ihn, ob seine Familie mit dem von ihm bevorzugten System, Asyl bekommen hätte. Gharakhani klare Antwort lautete so: Als Politiker darf ich nicht so denken. Ich stehe für die Politik, die für die Sozialdemokratie und mein Land Norwegen am besten ist. Das ist mein Ausgangspunkt.

Zwei Versuche

An einem Sonntagmorgen im Dezember fahre ich mit dem
Auto nach Oslo zum Auswärtsspiel im Schach. In Fredrikstad
hole ich noch zwei Mannschaftskameraden ab. Als ich
bei Jan ankomme, wartet David bereits dort vor der Haustür
und verschwindet nach einem kurzen «Hei!» hinten im Auto.
Da kommt auch schon Jan. Während er an mir vorbeigeht,
den Blick starr auf die Beifahrertür gerichtet, begrüßen wir
uns. Er schwingt zuerst seine Krücke und dann sich ins
Auto und schon geht es los.
Wir sind noch gar nicht weit gekommen, da erzähle ich, dass
unsere Gegner vielleicht mit drei internationalen Titelträgern
antreten werden. «Ja, die sind gut», antwortet Jan.
Nach einer kleinen Pause erkläre ich David, dass auch er,
ganz hinten spielend, einen sehr starken Gegner zu erwarten
hat. Er lacht kurz.
Dann folgen bis Oslo 80 Minuten stiller, friedlicher Advent.
Auf der Rückfahrt versuche ich es erst gar nicht.

Danke, liebe Deutsche Botschaft!

Du gibst alles, um weiteren Zugzug nach Deutschland zu verhindern. Mit vorbildlicher Bürokratie, gründlichen Sicherheitskontrollen und der Sicherheitsverwahrung von mitgebrachten Telefonen, erinnerst Du immer wieder daran, dass man es auch außerhalb Deutschlands gut aushalten kann. Danke dafür!
Es ist auch schön von Dir, dass Du möglichst wenig Menschen in den Genuss Deiner Behandlung kommen lassen willst und Dich deshalb in der Inkognitogate versteckt hast.

Blau gegen Rot

Wie in Deutschland wird auch in Norwegen im September eine neue Regierung gewählt. Erfreulicherweise wieder ohne Wahlplakate, sonst aber mit den gleichen Versuchen den Wähler von sich zu überzeugen. In Norwegen regiert seit vier Jahren das blaue, bürgerliche Lager. Dies möchte das rote, sozialdemokratische Lager gern ändern. Verschiedene Umfragen sehen gleichzeitig blau und rot vorn, sodass es also spannend werden dürfte. Die Grünen kommen als dritte Farbe noch dazu und könnten die Wahl möglicherweise entscheiden und das würde dann rot werden.
Norwegens größter Süßwarenproduzent möchte mit seinen Gummitieren an der Wahl verdienen und schickt deswegen blaue und rote Seigmenn in die Geschäfte. Die blauen haben den Geschmack Tutti Frutti und die roten Himbeere und Lakritz. Da dürfte der Konsument als Verlierer schon feststehen.

Den Teufel reiten

Der Reitklub Fredrikstad wünscht sich ein neues Reitcenter und die Stadt ist einverstanden. Wenn auch sonst wenig Geld vorhanden ist, sollen die veranschlagten 40 Millionen Kronen kein Problem sein. Der Ost ist allerdings ein Problem. Die regierende Arbeiderparti möchte das Center gern auf dem der Stadt gehörenden Grundstück Thorslund bauen. Thorslund liegt direkt vor den Toren Stadt wird aber heute landwirtschaftlich genutzt und soll ausgezeichnete Erde haben.
In Vestby stand man vor dem gleichen Problem, als IKEA dort bauen wollte und da wurde kurzerhand die Erde auf ein anderes Grundstück verbracht. Kostenpunkt: 0,86 Mio Kronen pro 1000 Quadratmeter.
Da dies aus Kostengründen in Fredrikstad nicht aktuell ist, hat der Reitklub nun seine Pläne geändert und ein anderes Grundstück vorgeschlagen. Zwar etwas weiter weg von der Stadt, dafür wird die Landwirtschaft kaum beeinflusst und das Senter würde in schöner Umgebung direkt am Meer liegen.
Seit 18 Jahren wird mit unterschiedlicher Intensität über ein neues Reitcenter verhandelt und der Klub möchte nun nicht länger warten und schlug auch deshalb ein anderes Grundstück vor, um nicht noch einige Jahre mit dem Kampf um Thorslund zu verlieren. Nun mussten sie feststellen, dass die ihr größter Befürworter – die Arbeiderparti – das Center unbedingt auf Thorslund bauen möchte.
Für uns ist das ganz beruigend. Da wir nicht weit weg von Thorslund wohnen, bleiben wir wohl noch einige Jahre von reger Bautätigkeit verschont.

Zeitdruck

Magnus Carlsen, der gerade an der Weltmeisterschaft im Schnellschach teilnimmt, ist nicht der einzige Norweger, der Zeitdruck während der verspürt. Besonders im Norden Europas scheint man Zeitdruck im Job ausgesetzt zu sein. Jedenfalls kam eine Untersuchung von fast 50.000 Arbeitsplätzen in 37 Ländern Europas zu diesem Ergebnis.
Norwegen landete zusammen mit Island auf dem vierten Platz hinter Dänemark, Finnland und Schweden.