Archiv für den Monat: November 2013

Rudelbildung

Ich hatte früher mal ausgiebig über die täglichen Busfahrten nach Oslo berichtet und auch über die Besonderheiten der Schlangenbildung am Busbahnhof. Die Wartenden lassen nämlich – vermutlich aus Respekt vor einander und aus genereller Angst vor Gesprächen – den größtmöglichen Abstand zwischen sich.
Seit unserem Umzug im Sommer fahre ich nun mit dem Zug von Fredrikstad nach Oslo und das ist wesentlich weniger interessant. Es sind einfach zu viele Leute die sich allmorgendlich einfinden. Erstaunlicherweise gruppieren diese sich zu Klumpen. Das hat jetzt ein wenig nachgelassen, da der weniger frostresistente Teil sich in den Wartesaal verzieht. Die Rudel entstehen immer dort, wo eine Tür zum Einsteigen vermutet wird. Da die Züge sich nicht immer daran halten, setzt manchmal das komplette Rudel der vorbeifahrenden Tür hinterher. In meinem Rudel steht ein extrem großer Mann, der sehr aufmerksam die Geschwindigkeit des Zuges beobachtet und sich bei Bedarf als erster in Bewegung setzt, noch bevor die Tür an uns vorbei gefahren ist. Ich kann es mir also einfach machen, indem ich ihn statt den Zug im Auge behalte. Beim Einsteigen bewegen sich die Reisenden völlig respektlos und sehr Sitzplatz orientiert.
Es gibt wenig zu bereichten von den Reisen außer dass das Material (Signalanlagen) gnadenlos veraltet ist und auch im neuen Haushalt wieder reichlich Neuinvestitionen aber kaum Reparaturen vorgesehen sind. In der vergangenen Woche gelang es der Bahn auf einer Strecke von ca. 90 km eine Stunde Verspätung zu schaffen und für die kommende Woche sind wieder Bauarbeiten angekündigt. Zwischen Oslo und Vestby wird Schienenersatzverkehr gefahren, was besonders auf der Rückfahrt interessant ist, da man nie weiß in welchem Stau der Bus steckenbleibt.

Kultur?!

In Norwegen gibt es bis zu diesem Jahr für aktive und verdienstvolle Künstler eine staatliche „garantierte Einnahme“, eine Art Jahreslohn den die Künstler fortlaufend bis zum 67. Lebensjahr bekamen. Die Stoltenberg-Regierung hatte in ihrem Haushalt für 2014 einen Ablösung dieser Ordnung durch Stipendien vorgesehen. 1447 Künstler hatten sich um 53 Stipendien (jeweils mit 205.000 Kronen dotiert) beworben. Vergebens, da die neue Regierung diese und noch weitere Stipendien im Gesamtwert von 15 Mio. Kronen ersatzlos abschafft.

Carlsen ist überall

Carlsen_VG

 

VG Werbung an einer Bushaltestelle. Nach den zwei Siegen nun, wird es sicher noch intensiver werden. Ob es gut für Schach (in Norwegen) ist, wird man wohl erst in ein bis zwei Jahren sehen.
Interessant finde ich, dass die Norweger eine Mannschaft zur gerade laufenden EM geschickt haben, die ein Durchschnittsalter von 15 Jahren hat uns sich gar nicht so schlecht schlägt.
Gestern wurde in Sarpsborg die Østfoldmeisterschaft im Blitzschach gespielt, ein Turnier das wohl nicht einmal unter Schachspielern sehr populär ist, wenn man die Teilnehmerzahl sieht. Aber es war tatsächlich ein Journalist des Sarpsborger Arbeiderblads da. Im Zug von Oslo nach Fredrikstad hörte ich am Freitag wie ein Mann eine Frau fragte: Spielst Du Schach?
Auf der Pressekonferenz vor dem WM-Qualifikationsspiel zwischen Portugal und Schweden meldete sich ein norwegischer Journalist zu Wort und fragte Ibrahimovic was er denn von Carlsen halte. Da hatten die Schweden wenigstens etwas zu lachen.

Nachtrag: In den Geschäften gibt es teilweise keine Schachbretter mehr zu kaufen und es existieren bereits Wartelisten. Selbst speziellere Sachen wir Schachuhren gehen wie warme Semmeln.